Maschinelles Lernen vs. Deep Learning

Wo liegt der Unterschied?


Eine verständliche Einführung in verschiedene Lernverfahren und ihre praktischen Anwendungen.

Einleitung

„Maschinelles Lernen“ und „Deep Learning“ sind Begriffe, die in den letzten Jahren stark an Bekanntheit gewonnen haben. Oft werden sie in einem Atemzug genannt oder sogar synonym verwendet. Tatsächlich gehört Deep Learning zum größeren Feld des Maschinellen Lernens (ML), doch es gibt Unterschiede – sowohl in der Methodik als auch in den Anwendungsbereichen. Dieser Artikel liefert eine verständliche Einführung und zeigt anhand von Beispielen aus der Praxis, wie die jeweiligen Verfahren eingesetzt werden.

Was ist Maschinelles Lernen?

Grundidee

Maschinelles Lernen (ML) ist ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz (KI). Die Grundidee: Algorithmen lernen aus Daten und können nach einem Trainingsprozess Vorhersagen treffen oder Muster erkennen, ohne explizit für jede Eventualität programmiert worden zu sein. Das unterscheidet sie von klassischen Regel-basierten Systemen, bei denen Entwickler*innen jede mögliche Bedingung vorschreiben müssen.

Typische Lernverfahren

Im Maschinellen Lernen existieren verschiedene Lernverfahren, die sich nach dem verfügbaren Wissen über die Daten unterscheiden:

  1. Überwachtes Lernen (Supervised Learning)
    • Dabei wird ein Algorithmus mit beschrifteten (label) Daten trainiert. Beispiel: Ein Klassifikationsproblem, bei dem Bilder bereits als „Katze“ oder „Hund“ gekennzeichnet sind. Der Algorithmus soll diese Kategorien anschließend auf unbekannte Bilder anwenden.
    • Anwendung: Bilderkennung, Spam-Filter (Spam/Nicht-Spam), Kreditwürdigkeitsprüfungen.
  2. Unüberwachtes Lernen (Unsupervised Learning)
    • Der Algorithmus erhält unbeschriftete Daten und soll selbst Strukturen oder Muster erkennen. Beispiel: Clustering-Verfahren, das aus Kundendaten automatisch Gruppen ähnlicher Kunden bildet, ohne vorher festgelegte Kategorien.
    • Anwendung: Segmentierung von Kundengruppen, Empfehlungssysteme, Anomalieerkennung.
  3. Bestärkendes Lernen (Reinforcement Learning)
    • Hier lernt ein Agent durch Trial and Error, belohnt oder bestraft durch eine Umgebung. Klassisches Beispiel: Ein Algorithmus lernt, in einem Spiel (z. B. Schach oder Go) optimale Züge auszuführen.
    • Anwendung: Robotik, autonomes Fahren, Optimierung logistischer Prozesse.

Wichtige Algorithmen im klassischen ML

  • Lineare und logistische Regression: Mathematisch einfache Modelle, die lineare Zusammenhänge abbilden.
  • Entscheidungsbäume: Bäumenähnliche Strukturen, die Entscheidungen durch eine Kette von Wenn-Dann-Regeln treffen.
  • Random Forest: Ensemble von Entscheidungsbäumen, erhöht Genauigkeit und Robustheit.
  • Support Vector Machines (SVM): Leistungsstarke Modelle, die Daten in einem hochdimensionalen Raum trennen.

Diese Algorithmen haben in der Vergangenheit zu eindrucksvollen Ergebnissen geführt und sind nach wie vor in vielen Bereichen im Einsatz, insbesondere wenn Daten nicht allzu komplex sind oder nur in begrenztem Umfang vorliegen.

Was ist Deep Learning?

Die Rolle Künstlicher Neuronaler Netze

Deep Learning ist eine spezielle Form des Maschinellen Lernens, bei der man mit tiefen (vielschichtigen) Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN) arbeitet. Diese Netzwerke sind inspiriert vom Aufbau des menschlichen Gehirns, wobei jedes „Neuron“ bestimmte Eingaben erhält, sie gewichtet und daraus Ausgaben ableitet.

Wenn man von „deep“ oder „tief“ spricht, bezieht sich das auf die Vielzahl von verborgenen Schichten (Hidden Layers), die es dem Netzwerk ermöglichen, sehr komplexe Zusammenhänge zu erlernen. Das Trainingsverfahren ist aufwändiger, nutzt aber moderne Hardware (z. B. GPUs), um große Datenmengen zu verarbeiten.

Warum Deep Learning erst jetzt durchstartet

Obwohl neuronale Netze bereits in den 1980er Jahren erforscht wurden, fehlten damals zwei entscheidende Faktoren:

  1. Rechenleistung: Für große Netze mit vielen Schichten sind leistungsfähige Prozessoren unabdingbar. Erst die Entwicklung von GPUs und Cloud-Computing brachte genug Rechenpower, um Deep-Learning-Modelle schnell zu trainieren.
  2. Datenverfügbarkeit: Deep-Learning-Modelle brauchen riesige Datenmengen, um wirklich effektiv zu lernen. Diese Daten stehen heute durch das Internet, Smartphones und IoT-Sensoren in nie dagewesener Menge zur Verfügung.

In den letzten Jahren hat Deep Learning in Bereichen wie Bilderkennung, Spracherkennung und natürliche Sprachverarbeitung enorme Fortschritte ermöglicht.

Unterschiede zwischen klassischem ML und Deep Learning

Feature Engineering vs. Feature Learning

Feature Engineering bezeichnet den Prozess, bei dem Menschen relevante Merkmale aus Rohdaten extrahieren, damit ein ML-Algorithmus sie nutzen kann. Zum Beispiel wählt man bei einer Bildklassifizierung (Katze/Hund) bestimmte Merkmale wie Kanten, Formen, Texturen.

Bei Deep Learning hingegen übernimmt das neuronale Netz selbst das Feature Learning. Es analysiert die Rohdaten (z. B. Pixel eines Bildes) und lernt in den verborgenen Schichten, welche Merkmalskombinationen wichtig sind. Dadurch entfällt großer Teil der aufwändigen, manuellen Vorverarbeitung.

Datenbedarf

  • Klassisches ML: Kann schon mit relativ geringem Datenvolumen funktionieren, sofern die Features gut gewählt sind und die Zusammenhänge nicht zu komplex.
  • Deep Learning: Braucht in der Regel sehr große, diverse Datensätze, um effizient Muster zu erlernen. Mit nur wenigen Daten überfitted ein Netzwerk schnell (es passt sich zu sehr an den Trainingsdatensatz an, ohne zu generalisieren).

Komplexität und Interpretierbarkeit

  • Klassisches ML: Modelle wie Entscheidungsbäume sind oft leichter zu interpretieren (z. B. Wenn das Merkmal X > 5, dann …).
  • Deep Learning: Viele Schichten und Gewichte führen häufig zu einer „Black Box“-Problematik. Es ist schwieriger zu verstehen, warum ein Modell eine bestimmte Entscheidung trifft – ein großes Thema in der Forschung zu „Explainable AI“.

Rechenaufwand

  • Klassisches ML: Benötigt vergleichsweise wenig Rechenleistung und lässt sich auch auf normaler Hardware trainieren.
  • Deep Learning: Setzt auf massive Parallelisierungen (GPUs, TPUs), um die vielen Parameter (teils Millionen oder sogar Milliarden) zu verarbeiten. Das Training kann sehr zeit- und ressourcenintensiv sein.

Praktische Einsatzgebiete

Klassisches Maschinelles Lernen

  1. Spam-Filter
    • Algorithmen wie Naive Bayes oder Random Forest werten Textmerkmale aus, um Spam-Nachrichten zu erkennen.
  2. Kreditbewertung
    • Bank- oder Finanzinstitute nutzen Entscheidungsbäume und Regressionen, um das Kreditrisiko einzuschätzen.
  3. Predictive Maintenance
    • ML-Modelle sagen den Wartungsbedarf von Maschinen voraus, indem sie Sensordaten auswerten.
  4. Kunden-Segmentierung
    • Unüberwachtes Lernen teilt Kundendaten in Clustern, ohne vordefinierte Labels – hilfreich im Marketing.

Deep Learning

  1. Computer Vision
    • Erkennen von Objekten in Bildern (z. B. Gesichter, Straßenschilder), Segmentierung von Bildbereichen (z. B. bei autonomen Fahrzeugen).
  2. Spracherkennung und Sprachassistenz
    • Assistenten wie Siri, Alexa oder Google Assistant wandeln Sprache in Text um (Speech-to-Text) und verstehen Kontexte dank großer neuronaler Netze.
  3. NLP und Chatbots
    • Deep-Learning-Modelle wie GPT können Konversationen generieren, Texte übersetzen oder Zusammenfassungen erstellen.
  4. Empfehlungssysteme
    • Streaming-Dienste (Netflix, Spotify) oder Online-Shops (Amazon) nutzen Deep-Learning-Architekturen, um personalisierte Vorschläge zu machen.

Entscheidungsfaktoren bei der Modellwahl

Datengröße und -qualität

  • Bei großen, komplexen Datensätzen (z. B. Millionen von Bildern) ist Deep Learning oft überlegen.
  • Bei kleinen Datensätzen oder stark strukturierten Daten kann ein klassisches ML-Modell effektiver sein.

Interpretierbarkeit vs. Performance

  • Wenn Transparenz (z. B. in der Medizin oder Justiz) besonders wichtig ist, setzen viele Organisationen auf leicht erklärbare ML-Modelle.
  • In anderen Fällen ist die Vorhersagegenauigkeit (Performance) entscheidender, wodurch Deep Learning trotz Black-Box-Charakter bevorzugt wird.

Ressourcen und Expertise

  • Deep Learning erfordert viel Rechenleistung und KI-Know-how. Wer diese Ressourcen nicht hat, wählt ggf. ein klassisches ML-Verfahren.
  • Manchmal ist eine Kombination sinnvoll: Z. B. ein Decision Tree für die schnelle Vorauswahl und ein neuronales Netz für die tiefergehende Auswertung.

Trends und Ausblick

Die Weiterentwicklung von Hardware (GPUs, TPUs, Quantencomputer) und Algorithmen (z. B. Transformer-Architekturen in der Sprachverarbeitung) treiben Deep Learning massiv voran. Gleichzeitig wächst das Interesse an Interpretierbarkeit und Erklärbarkeit (Explainable AI). Es entstehen also zunehmend hybride Ansätze, die einerseits die Leistungsfähigkeit neuronaler Netze nutzen, andererseits die resultierenden Entscheidungen transparenter machen.

Auch im Bereich des Edge Computings (KI auf Endgeräten, die keine ständige Cloud-Verbindung haben) nimmt die Bedeutung zu. Hier sind Modelle gefragt, die kleiner, effizienter und ressourcenschonender sind. Klassische ML-Modelle können hier wieder punkten, während Forschende parallel an komprimierten, energieeffizienten neuronalen Netzen arbeiten (z. B. „TinyML“).

Fazit

Maschinelles Lernen und Deep Learning sind eng miteinander verbunden, aber nicht identisch:

  • Maschinelles Lernen ist der Oberbegriff für zahlreiche Algorithmen und Methoden, bei denen ein System aus Daten lernt. Es umfasst überwachtes, unüberwachtes und bestärkendes Lernen.
  • Deep Learning ist eine Spezialisierung innerhalb des ML, die tiefe neuronale Netze einsetzt und besonders effektiv in Bereichen wie Bilderkennung, Sprachanalyse oder komplexer Mustererkennung ist.

Ob klassisches ML oder Deep Learning besser geeignet ist, hängt ab von der Art der Daten, dem Verfügbarem Datenvolumen, den Ressourcen für Trainingsläufe und dem Ziel (z. B. hohe Erklärbarkeit vs. maximale Performance). In der Praxis kommt es oft darauf an, verschiedene Modelle auszuprobieren und für das jeweilige Problem den besten Kompromiss zu finden.

Unterm Strich werden beide Ansätze in der digitalisierten Welt weiterhin eine zentrale Rolle spielen, denn sie ermöglichen uns, immer größere Datenmengen zu verstehen, zu analysieren und daraus Mehrwert zu schöpfen. Wo wir in Zukunft „Deep Learning“ oder andere ML-Techniken einsetzen, wird primär von den jeweiligen Anwendungsfällen und Randbedingungen abhängen – und natürlich von den spannenden neuen Entwicklungen, die in rasanter Geschwindigkeit in beiden Bereichen entstehen.

Letzte Bearbeitung am Dienstag, 15. April 2025 – 21:33 Uhr von Alex, Experte bei SEO NW für künstliche Intelligenz.